WIE

MEDIZINISCHES CANNABIS VERSCHREIBEN

Wenn ein Arzt einem bestimmten Patienten medizinisches Cannabis verschreiben möchte, hat dieser möglicherweise noch Fragen dazu, was er von der Behandlung mit medizinischem Cannabis erwarten kann. Erfahren Sie mehr darüber, wie medizinisches Cannabis von Patienten angewendet wird und wie sich dies auf den Verordnungsprozess auswirken könnte.

Die ideale Dosierung von medizinischem Cannabis sollte für jeden Patienten individuell anhand mehrerer Faktoren bestimmt werden, darunter der THC-Gehalt des medizinischen Cannabisprodukts, die Art der Verabreichung und die spezifische Erkrankung des Patienten. Grundsätzlich gilt, dass die optimale Dosis die niedrigste Dosis ist, mit der die Symptome eines Patienten ohne Nebenwirkungen kontrolliert werden können. Um dieses Ziel zur erreichen, müssen Sie Ihre Patienten eventuell bitten, mit einer niedrigen Dosierung zu beginnen und diese langsam nach einem festgelegten Titrationsschema zu steigern. Dies kann zu einer besseren Verträglichkeit führen. Verschiedene Patienten können unterschiedliche Dosierungen benötigen oder vertragen.

Für Patienten, die orale Darreichungsformen von medizinischem Cannabis einnehmen, wird eine Anfangsdosis von 2,5 mg THC (bzw. 1,25 mg für gebrechliche Patienten) empfohlen, die in der Regel am Abend eingenommen werden sollte.1 Für Patienten, die medizinisches Cannabis zur Inhalation benötigen, variiert die empfohlene Anfangsdosierung abhängig von Tiefe und Art der Inhalation stärker, so dass die Dosierung hier individuell angepasst werden muss. Eine Anfangsdosis zwischen 25 mg und 100 mg inhalierten getrockneten Blüten pro Tag kann grundsätzlich empfohlen werden.2

Für Patienten, die medizinisches Cannabis in oraler Darreichungsform (z. B. Kapseln) einnehmen, wird eine schrittweise Aufdosierung von 2,5 mg THC alle zwei Tage empfohlen.1 Das bedeutet, wenn ein Patient mit 2,5 mg THC an Tag 1 beginnt, sollte er an Tag 3 auf 5 mg THC erhöhen. Patienten, die sich an dieses Schema halten, sollten darauf achten, dass sie eine Dosis von 40 mg THC täglich nicht überschreiten bzw. diejenige Dosis nicht überschreiten, bei der ein ausgewogenes Verhältnis zwischen positiven und negativen Wirkungen für ihre Situation erreicht ist. Die durchschnittliche Tagesdosis bei oraler Verabreichung liegt nach vorliegenden Daten bei etwa 15 mg THC.

Bei Patienten, die medizinisches Cannabis inhalieren, gibt es eine deutlich größere Variabilität, vor allem aufgrund der Morphologie (Tiefe und Dauer) der Inhalation. Bei diesen Patienten muss die Dosis sorgfältig individuell angepasst werden. Jedoch wird hier empfohlen, die tägliche Gesamtdosis von getrockneten Blüten um 100 mg pro Tag zu erhöhen.2 Das bedeutet für einen Patienten, der mit 100 mg am ersten Tag beginnt, eine Steigerung auf 200 mg an Tag 2 (also 100 mg zweimal täglich) und so weiter. Die durchschnittliche Tagesdosis für die inhalative Verabreichung liegt auf Grundlage verfügbarer Daten bei 500 mg bis hin zu 1.500 mg getrockneten Blüten mit einer empfohlenen Maximaldosierung von 3.000 mg getrockneter Blüten pro Tag.

Die Pharmakokinetik (PK) von Cannabinoiden unterscheidet sich je nach Art der Verabreichung.1 Die Bioverfügbarkeit von inhaliertem THC schwankt zwischen 20 % und 30 % und variiert je nach Tiefe und Dauer der Inhalation. Ähnlich verhält es sich mit der Bioverfügbarkeit von inhaliertem CBD, die zwischen 11 % und 45 % liegt.3 THC aus inhaliertem medizinischen Cannabis erreicht nach etwa 5 bis 10 Minuten seine maximale Plasmaskonzentration, wobei etwa 10 % dieser maximalen Plasmakonzentration noch eine Stunde nach Inhalation vorhanden sind.3 Die Inhalation führt im Vergleich zur oralen Verabreichung zu einer Exposition von etwa 33 % des 11-OH-THC-Metaboliten. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da dieser Metabolit ein stärkerer Agonist am CB1-Rezeptor ist und eine ausgeprägtere psychoaktive Wirkung als THC hat.3

Sowohl THC als auch CBD werden durch das Cytochrom-P450-System (CYP) verstoffwechselt. CYP2C9, CYP2C19 und CYP3A4 sind die primären Enzyme, die an der Verstoffwechselung von THC beteiligt sind, während CYP2C19 und CYP3A4 die primären Enzyme für die Verstoffwechselung von CBD sind. Beide Cannabinoide werden in erster Linie über den Stuhl ausgeschieden und ein Teil der Ausscheidung erfolgt mit dem Urin. Wie bei THC wird die Eliminationshalbwertszeit von CBD nach oraler Einnahme auf ungefähr zwei bis fünf Tage geschätzt.3-5

Nahrung hat einen Einfluss auf die Pharmakokinetik von THC und CBD.5 In Studien führte eine fettreiche, hochkalorische Mahlzeit im Vergleich zum nüchternen Zustand zu deutlichen Verzögerungen der Tmax, einem Anstieg der Cmax und einem Anstieg der Gesamtexposition (AUC). Daher wird empfohlen, dass Patienten ihre orale Cannabismedikation stets unter den gleichen Bedingungen einnehmen, um ein stabiles pharmakokinetisches Gleichgewicht zu ermöglichen.

Nein. Tatsächlich wird das Rauchen von medizinischem Cannabis nicht empfohlen.1,2 Es gibt viele Möglichkeiten, medizinisches Cannabis zu inhalieren oder einzunehmen. Als Alternative zum Rauchen kann medizinisches Cannabis zum Beispiel mit einem Vaporisator inhaliert werden. Die Inhalation über einen Vaporisator ist nicht nur sicherer, da der Patient keine Substanzen inhaliert, die durch Verbrennung der getrockneten Blüten entstehen, sondern hierüber ist auch eine genauere Dosierung möglich.

Das Foltin-Puff-Verfahren ist ein guter Ausgangspunkt.5 Es beinhaltet vier Kernpunkte:

  • Empfohlene Verdampfungstemperatur: mindestens 190ºC5
  • Wenn der Verdampfer bereit ist, Inhalation über das Mundstück für 5 Sekunden6
  • Halten des Dampfes in der Lunge für 10 Sekunden6
  • Ausatmen und 10 bis 20 Minuten zwischen den Inhalationen abwarten

Ein standardisiertes Verfahren gewährleistet eine sicherere Verabreichung und verringert die Inter- und Intravariabilität zwischen Patienten und Verabreichungen.

Ein Vaporisator ist ein Gerät, das medizinisches Cannabis in Form von getrockneten Blüten erhitzen kann. Beim Verdampfen entsteht eine niedrigere Temperatur als durch Verbrennung. Somit ermöglicht der Vaporisator dem Patienten Cannabis in Form von Dampf zu inhalieren, anstatt es zu rauchen. Durch die Inhalation können sich die Cannabinoide in der Pflanze durch die entstehende Hitze verflüchtigen, in den Blutkreislauf gelangen und das Gehirn schnell erreichen, womit eine schnell eintretende Linderung der Symptome erreicht wird. Darüber hinaus wird durch die Verdampfung die Verbrennung vermieden und potenziell schädliche Reizstoffe, die im Cannabisrauch enthalten sein können, reduziert.

Generell gilt, dass medizinisches Cannabis, das zur Inhalation bestimmt ist, schneller wirkt und die Wirkung kürzer anhält als dies bei Cannabisextrakten der Fall ist. Daher scheint sich Cannabis, das zur Inhalation bestimmt ist, eher für wiederkehrende akute oder episodisch auftretende Symptome zu eignen. Im Gegensatz dazu braucht medizinisches Cannabis, das zur oralen Einnahme bestimmt ist, für gewöhnlich länger, bis seine Wirkung einsetzt. Die Wirkung hält dann aber über einen längeren Zeitraum an. Daher eignet es sich besser zur Behandlung chronischer Beschwerden bzw. Krankheitszuständen.

Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Cannabinoiden sind möglich.4 Eine pharmakodynamische Wechselwirkung kann bei gleichzeitiger Gabe von spasmolytischen Medikamenten auftreten, was zu einer Abnahme des Muskeltonus führen kann und somit zu einem höheren Unfall-/Verletzungsrisiko führt.7

Pharmakodynamische Wechselwirkungen auf das ZNS (z. B. Schwindel, Verwirrung, Sedierung und Schläfrigkeit) sind bei gleichzeitiger Gabe mit Medikamenten, die eine ähnliche Wirkung auf das ZNS haben, wie z.B. zentral dämpfende Substanzen, nicht auszuschließen.3

Sowohl THC als auch CBD werden über das Cytochrom-P450-System (CYP-System) verstoffwechselt. CYP2C9 und CYP3A4 sind die primären Enzyme, die an der Verstoffwechselung von THC beteiligt sind, während CYP2C19 und CYP3A4 die primären Enzyme der Verstoffwechselung von CBD sind.4,5 Inhibitoren dieser Enzyme können einen Anstieg, Induktoren eine Abnahme der systematischen Exposition von Cannabinoiden und ihrer aktiven Metaboliten bewirken, was eine Zunahme von Nebenwirkungen oder einen Verlust der Wirksamkeit von medizinischem Cannabis zur Folge haben kann.

Ärzte sollten auf potenzielle cannabinoidsassoziierte Nebenwirkungen achten, wenn medizinisches Cannabis zusammen mit Inhibitoren von CYP2C9 (z. B. Amiodaron, Fluconazol), CYP2C19 (z. B. Ketoconazol, Isoniazid) und CYP3A4 (z. B. Ketoconazol, Itraconazol, Clarithromycin, Ritonavir, Erythromycin) verabreicht wird.2,5 Ebenso sollten Ärzte auf eine mögliche Abnahme der Wirksamkeit achten, wenn medizinisches Cannabis zusammen mit Induktoren von CYP2C9, CYP2C19 oder CYP3A4 (z. B. Rifampicin, Rifabutin) verabreicht wird.2,5 Nicht zuletzt sollten Ärzte ebenso auf einen möglichen Anstieg von Nebenwirkungen achten, wenn medizinisches Cannabis mit Substraten von CYP2C9, CYP2C19 oder CYP3A4 (z. B. Clarithromycin, Erythromycin) verabreicht wird.5

Zudem sind Wechselwirkungen zwischen THC und stark proteingebundenen Wirkstoffen möglich.3

Die Entscheidung über den Beginn oder das Absetzen einer Medikation obliegt dem verschreibenden Arzt in Absprache mit dem Patienten. In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass Patienten, die medizinisches Cannabis zur Behandlung verschiedener Schmerzzustände einnehmen, die Opioide am Ende durch Cannabis ersetzen oder die Opioid-Dosis reduzieren konnten.

Präklinische Daten deuten auf eine funktionelle Interaktion zwischen dem Cannabinoid- und dem Opioidsystem hin. Allerdings bedarf es weiterer Forschung, um zu verstehen, wie genau diese beiden Systeme miteinander kommunizieren. Eine kürzlich durchgeführte systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse präklinischer Studien, in der die Stärke der vorhandenen Evidenz für die „opioidsparende“ Wirkung von Cannabinoiden im Zusammenhang mit der Analgesie untersucht wurde, kam zu dem Schluss, dass die gleichzeitige Verabreichung von Morphin und THC zu einer signifikanten opioidsparenden Wirkung führt. Diese Daten waren allerdings heterogen.8

Klinische Anwendungsbeobachtungen und epidemiologische Daten, wie Befragungen von Patienten unter genehmigter Behandlung mit medizinischem Cannabis, ergaben, dass Opioide bei diesen Patienten einen Anteil von mehr als 40 % der durch medizinisches Cannabis substituierten Medikamente zur Schmerzbehandlung ausmachten.9,10 In einer anderen Studie gaben mehr als 70 % der Patienten mit chronischen Schmerzen, die nach eigenen Angaben ein oder mehrere Medikamente durch medizinischem Cannabis ersetzt hatten, an, dass es sich bei dem ersetzten Medikament um Opioide handelte.11

Medizinisches Cannabis kann die Fähigkeiten eines Patienten beeinflussen, wach zu bleiben, Auto zu fahren oder schwere Maschinen zu bedienen.2,5 Patienten sollten selbst eine Einschätzung vornehmen, inwieweit ihre medizinische Cannabismedikation und deren Dosierung ihre Funktionsfähigkeit und Wachheit beeinträchtigen, bevor sie ein Fahrzeug lenken, Maschinen bedienen oder andere gefährliche Tätigkeiten ausführen. Patienten sollten das Führen eines Fahrzeugs vermeiden, bis sie auf eine stabile Dosis eingestellt sind.2

In Deutschland ist derzeit die aktive Teilnahme am Straßenverkehr untersagt, wenn ein Patient mehr als 1 mg THC im Blut hat.12 Wenn sich jedoch die Überschreitung des Grenzwertes nachweislich und ausschließlich auf die richtige Einnahme der medizinisch verschriebenen Dosis zurückführen lässt, droht keine Bestrafung. Zeigt der Fahrer jedoch konkrete Anzeichen für ein Fehlverhalten im Straßenverkehr, besteht die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung. Patienten sollten sich mit der erlaubten THC-Menge auskennen und die örtlichen Vorschriften und Bestimmungen einhalten, bevor sie sich ans Steuer setzen. Ein Patient sollte nach der Inhalation von medizinischem Cannabis mindestens 3 Stunden warten, bei Auftreten von psychotropen Wirkungen bis zu 8 Stunden. Nach der oralen Einnahme von medizinischem Cannabis sollte ein Patient mindestens 6 Stunden warten und bei Auftreten von psychotropen Wirkungen bis zu 8 Stunden.2

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