What
Über medizinisches Cannabis
When
Die Geschichte des medizinischen Cannabis
How
Regulierung von medizinischem Cannabis
Why
Evidenz für medizinisches Cannabis
Who
Medizinisches Fachpersonal und medizinisches Cannabis
Where
Zugang zu medizinischem Cannabis
How
Anwendung von medizinischem Cannabis
Which
Risiken von medizinischem Cannabis
WARUM: EVIDENZ FÜR DIE WIRKSAMKEIT CANNABINOID-BASIERTER MEDIKAMENTE
Es wurden umfangreiche Forschungsarbeiten zu Cannabinoid-basierten Medikamenten und medizinischem Cannabis durchgeführt. Nachfolgend erfahren Sie mehr über die Ergebnisse, welche den vielfältigen medizinischen Nutzen von Cannabis belegen.
Für welche Erkrankungen kann mein Arzt medizinisches Cannabis verschreiben?
Es existiert keine festgelegte Liste von Krankheiten, für deren Behandlung medizinisches Cannabis in Deutschland zugelassen ist. Doch im Rahmen der Anwendung an Patienten ergaben sich die folgenden Hauptindikationen für die Einnahme von medizinischem Cannabis (in absteigender Reihenfolge): Schmerzen, durch Krebserkrankungen bedingte Symptome, Spastik, Appetitlosigkeit mit starker Gewichtsabnahme (Kachexie) und Multiple Sklerose.1

Gibt es klinische Studien mit Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis?
Ja. Es wurden beinahe 700 klinische Studien mit Cannabinoid-basierten Medikamenten durchgeführt, in denen die aktuell verwendeten Darreichungsformen von Cannabinoid-basierten Medikamenten, medizinischem Cannabis oder Cannabinoiden in reiner Form, wie z. B. CBD und THC, untersucht wurden.2 Einige dieser klinischen Studien waren umfangreich und qualitativ hochwertig andere eher limitiert. Auftraggeber waren akademische Institutionen und Organisationen sowie pharmazeutische Unternehmen. Die Studien umfassten zahlreiche Indikationen, unter anderem psychotische Störungen, zahlreiche Schmerzformen, Angstzustände, Schizophrenie, HIV/AIDS und Depressionen.
Welche Rolle spielen Arzneimittel auf Cannabinoidbasis in der Schmerztherapie?
Im menschlichen Körper finden biologische Prozesse der Schmerzweiterleitung und -verarbeitung statt. Dazu gehört auch die Aktivierung des Endocannabinoid-Systems über die Freisetzung von Endocannabinoiden. Dies sind Substanzen, welche der Körper selbst zur Schmerzkontrolle bildet. Die Cannabinoide in medizinischem Cannabis wirken auf eben dieses System.3

Gibt es Leitlinien für den Einsatz von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis in der Schmerztherapie?
Mehrere Schmerzgesellschaften und wissenschaftliche Institutionen haben Empfehlungen für den Einsatz von Cannabis-basierten Medikamenten zur Behandlung von Schmerzen herausgegeben. So hat z. B. die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) Empfehlungen für den Einsatz von Cannabinoiden bei durch Krebs bedingten chronischen Schmerzen, chronische Schmerzen anderer Ursachen, Nervenschmerzen, Spastik bei Multipler Sklerose sowie spastisch bedingten Schmerzen herausgegeben.4
Welche Rolle spielen Arzneimittel auf Cannabinoidbasis bei der Behandlung von Spastiken?
Spastik ist ein Zustand mit abnormal gesteigerter Muskelspannung oder Steifigkeit der Muskeln. Sie tritt häufig bei Patienten mit Multipler Sklerose oder Rückenmarksverletzungen auf. Im Körper finden biologische Prozesse zur Einstellung der Muskelspannung statt. Unter anderem geschieht dies über Endocannabinoide. Dies sind Substanzen, welche der Körper selbst produziert, um Nervenzellen, welche die Muskelspannung regulieren, zu steuern. Die Cannabinoide in medizinischem Cannabis wirken auf eben dieses System.5
Gibt es Leitlinien, die den Einsatz von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis für die Behandlung von Spastik befürworten?
Mehrere medizinische Fachgesellschaften haben Empfehlungen für den Einsatz von cannabisbasierten Arzneimitteln bei Spastik herausgegeben. Im Jahr 2021 wurde die Anwendung von Nabiximols (THC und CBD) bei unzureichendem Behandlungserfolg der Spastik unter der Therapie mit Baclofen oder Tizanidine in die aktuellste Version der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) aufgenommen.6
Welche Rolle spielen Arzneimittel auf Cannabinoidbasis bei der Behandlung von Appetitlosigkeit?
Starke Appetitlosigkeit ist ein Symptom vieler chronischer Krankheiten und tritt häufig bei Krebs und HIV/AIDS auf. Der Körper hat seinen eigenen biologischen Mechanismus, um Appetit zu regulieren. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet das Endocannabinoidsystem, welches auf der Wirkung der Endocannabinoide beruht. Hierbei handelt es sich um chemische Substanzen, die vom Körper gebildet werden und Teil des Regulationsmechanismus des Appetits sind.7
Gibt es Leitlinien, die die Nutzung von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis zur Behandlung von Appetitverlust unterstützen?
Derzeit gibt es noch keine Leitlinien, die die Anwendung von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis zur Behandlung von Appetitlosigkeit nachdrücklich empfehlen.
Welche Bedeutung haben Arzneimittel auf Cannabinoidbasis bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen?
Übelkeit und Erbrechen sind bekannte Nebenwirkungen der Therapie bei Krebserkrankungen und verschiedenen anderen schweren Erkrankungen. Diese Symptome können sowohl durch die Erkrankung selbst, aber auch durch Chemotherapie oder sogar durch die Behandlung mit Strahlentherapie hervorgerufen werden. Übelkeit und Erbrechen werden über das Gehirn und das zentrale Nervensystem (ZNS) gesteuert und unterliegen eigenen biologischen Regulationsmechanismen. Zu diesen zählt auch das Endocannabinoidsystem, da die vom Körper gebildeten Endocannabinoide Einfluss auf die Steuerung von Übelkeit und Erbrechen haben.8
Man geht davon aus, dass extern, über cannabinoidbasierte medizinische Produkte zugeführte Cannabinoide dieselbe Wirkung ausüben. Daher gehen viele Wissenschaftler und Ärzte davon aus, dass Cannabinoide für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt werden können.9

Gibt es Leitlinien, die den Einsatz von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen unterstützen?
Mehrere medizinische Fachgesellschaften haben Empfehlungen für den Einsatz von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen herausgegeben. 2020 hat das German Guideline Program in Oncology (GGPO), in Deutschland auch als Leitlinienprogramm Onkologie (OL) bekannt, darauf hingewiesen, dass Cannabinoide für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt werden können, wenn das Ansprechen auf andere Arzneimittel unzureichend ist.10
Welche Rolle spielen Arzneimittel auf Cannabinoidbasis bei der Behandlung von Schlafstörungen?
Schlafstörungen treten bei Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen auf. Darunter bei Patienten mit Multipler Sklerose, chronischem nicht tumorassoziiertem Schmerzsyndrom, Fibromyalgie und Morbus Parkinson. Der Körper verfügt über eigene biologische Mechanismen, um seinen Schlaf-Wach-Rhythmus (zirkadianer Rhythmus) zu steuern. Daran sind auch Endocannabinoide (chemische Substanzen, die der Körper zur Schlafregulation produziert) beteiligt. Man geht davon aus, dass externe Cannabinoide in cannabinoidbasierten medizinischen Produkten auf die gleiche Art und Weise wirken.11
Gibt es Leitlinien, die den Gebrauch von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis für die Behandlung von Schlafstörungen befürworten?
Es gibt noch keine Leitlinien, die die Anwendung von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis zur Behandlung von Schlafstörungen nachdrücklich empfehlen.
Welche Rolle spielen Arzneimittel auf Cannabinoidbasis bei der Behandlung von Epilepsie?
Der menschliche Körper hat eigene biologischen Mechanismen zur Regulation von Erregung und Hemmung in den neuronalen Schaltkreisen des Gehirns. Dieses System ist bei Vorliegen einer Epilepsie im Ungleichgewicht. An einem dieser körpereigenen biologischen Regulationsmechanismen sind Endocannabinoide beteiligt.12 Externe Cannabinoide, vor allem Cannabidiol (CBD), können die im Gehirn von Epilepsiepatienten beobachtbare Übererregbarkeit über verschiedene Mechanismen positiv beeinflussen.12
Gibt es Leitlinien, die den Einsatz von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis für die Behandlung von Epilepsie empfehlen?
Da Cannabidiol erst vor Kurzem bei Epilepsie zugelassen wurde, gibt es noch keine Leitlinien, die die Verwendung von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis zur Behandlung von Epilepsie nachdrücklich empfehlen.
Welche Bedeutung haben Arzneimittel auf Cannabinoidbasis bei der Behandlung von Angststörungen?
Der Körper verfügt über eigene Regulationsmechanismen, um Stress und Angst zu bewältigen.
An diesen Regulationsmechanismen ist auch das Endocannabinoidsystem beteiligt, da Endocannabinoide, die vom Körper selbst produziert werden, Stress und Angst reduzieren können. Ein Beispiel hierfür ist die Tatsache, dass der Körper in Stresssituationen Neuron-stimulierende Hormone ausgeschüttet. Hier wirken die Endocannabinoide einer Überstimulierung entgegen. Es wird davon ausgegangen, dass externe Cannabinoide, die in cannabinoidbasierten medizinischen Produkten enthalten sind, auf die gleiche Weise wirken.13
Gibt es Leitlinien, die den Gebrauch von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis für die Behandlung von Angststörungen unterstützen?
Es gibt noch keine Leitlinien, die die Verwendung von Arzneimitteln auf Cannabinoidbasis zur Behandlung von Angstzuständen nachdrücklich empfehlen.
QUELLENANGABEN
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